Endlich wieder einmal auf den Schwingen der Musik verreisen! Das mit dem Titel „Zwischen Nacht und Morgen – Phantasie im Volkston“ versehene 4. Büdesheimer Schlosskonzert lieferte das musikalische Material dafür.

In zwei aufeinanderfolgenden Konzerten, nämlich um 17 Uhr und um 19 Uhr konnten je 30 Besucher die Cellistin Anna-Lena Perenthaler und den Pianisten Yonatan Cohen erleben. Beide Künstler weisen äußerst respektable, vielseitige musikalische Lebensläufe auf und starteten die musikalische Reise vom Dorfgemeinschaftshaus Oberdorfelden aus zunächst Richtung Israel.

Die 1952 entstandenen „Drei Lieder ohne Worte“ von Paul Ben-Haim bildeten den Auftakt. Yonatan Cohen erläuterte die kleine Suite, die sich als Tongemälde orientalischer Stimmungen versteht, das eröffnende Arioso versetzt in die sommerlich-heißen Berge Judäas. Eine schmelzende Cellostimme, ein langsam schreitendes Klavier, während im zweiten Satz eine beduinische Kaffeezeremonie vertont ist. Das rhythmische Zerstampfen der Kaffeebohnen im Holzmörser ruft am Morgen die Nachbarn herbei. Alte Lieder jüdisch-sephardischen Ursprungs bilden das musikalische Material des dritten Satzes. Anna-Lena Perenthaler mit ihrem vollen, kräftigen Celloton und der überragend begleitende Yonatan Cohen hatten hier bereits das Publikum für sich eingenommen.

Der zeitgenössische Konzertpianist und Komponist Fazil Say porträtiert im ersten Satz seines Werkes „Four Cities“ die kleine türkische Stadt Sivas und einen hochgeehrten blinden Dudukspieler mit seiner Lebensgeschichte. In Not geraten, erinnert dieser sich an das als Kind erlernte Duduk, ein Blasinstrument mit extrem großem Doppelrohrblatt und durchdringendem Ton. Als Straßenmusiker gestartet, wird er zum hochgeehrten Nationalhelden. Beide Künstler erzählten die dramatische Geschichte virtuos, eingeschlossen der Duduk-Klang, den Anna-Lena Perenthaler am Ende des Satzes ihrem Cello entlockte.

Im Anschluß ging es nach Georgien. Cohen moderierte den „Khorumi“ betitelten wilden Kriegstanz im unerbittlichen 5/8-Takt von Sulchan Zinzadse an, nach dem man als Tänzer garantiert in tiefen Schlaf falle. Für beide Musiker eine hohe technische Herausforderung, die sie bravourös meisterten.

Das Hauptwerk des wegen der Coronabeschränkungen verkürzten Konzertes bildete die Cello-Sonate von Sergei Rachmaninoff, mit den Sätzen 1, 3 und 4. Die orchestrale Anlage dieses letzten Kammermusikwerkes bevor Rachmaninoff sich vollständig der Komposition von Klavierkonzerten und Sinfonischen Werken zuwandte, fesselte die Zuhörer. Anna-Lena Perenthaler zeigte hier noch einmal ihre cellistische Meisterschaft. Mit Leichtigkeit bewältigte sie die technischen Passagen des monumentalen Werkes. Yonatan Cohen zeigte sich absolut ebenbürtig. Ein Kraftakt. Ausgiebiger Applaus erforderte den „Khorumi“ noch einmal als Zugabe.

Musikschulleiter Christoph Möller dankte dem Publikum – im ersten Konzert des Abends waren es die Abonnenten der Kammermusikreihe – sowie dem Förderkreis für ihre Unterstützung. Dank auch an Anna-Lena Perenthaler und Yonatan Cohen, die sich bereit erklärt hatten, das kraftraubende Programm noch ein zweites Mal um 19 Uhr zu absolvieren. Pandemiebedingt ist es für Künstler z.Zt. schwer, in das normale Konzertleben zurückzukehren. Die Büdesheimer Schlosskonzerte wollen Künstler weiter unterstützen. Christoph Möller erwähnte die bereits konzipierte Saison 2021 und warb um Verständnis dafür, dass der Förderkreis sich über den Erwerb eines Abonnements hinaus auch über Spenden freue.

Das nächste Abonnementskonzert mit dem Titel „Im Salon des Fürsten Esterházy“ wird am 15. November 2020 das Trio „Divertimento Francoforte“ mit Roswitha Bruggaier (Baryton), Kathrin Ebert (Viola) und Lydia Blum (Violoncello) in der Büdesheimer ev. Andreaskirche gestalten.